(April 2010) Er ist ein Blauer durch und durch, denn er ist mit und bei Sechzig groß geworden. Nach den Ausflügen nach Burghausen und Bielefeld ist er seit Januar 2009 zurück in Giesing und in der aktuellen Saison bester Torschütze der Löwen.
Der 22-jährige Stefan Aigner hat für seine aktuelle Torausbeute von sieben Treffern eine einfache Erklärung: „Körperlich und im Hinblick auf die Ausdauer habe ich enorm zugelegt seit ich zurück gekommen bin." Zudem stand der in München geborene Mittelfeldspieler seit seiner überstandenen Verletzung zu Saisonbeginn regelmäßig von Beginn an auf dem Platz: „Bei den Spielen gewinnst du am meisten an Kraft, die ersetzt kein Training", und so kann er mit nach vorne maschieren, mit in den Strafraum gehen und die Tore, seine Tore machen. Neben den sieben Treffern gelangen dem Blondschopf noch drei Vorbereitungen. Damit ist er zusammen mit Benny Lauth und Alexander Ludwig der Topscorer im Team.
Aigner freut sich, dass ihm die Wege inzwischen wieder leichter fallen, denn das war bis zu der Rückkehr in der Winter pause der Spielzeit 2008/2009 nicht so. Bei Arminia Bielefeld in der 1. Bundesliga kam er kaum zum Zuge, was ihn dazu bewog, wieder bei den Löwen anzuheuern. Fit war er nicht, konnte dem TSV 1860 in der Rückrunde der vergangenen Spielzeit deshalb kaum helfen: „Ich bin in ein Loch gefallen, weil es mein Körper nicht mehr gewöhnt war, so viele Spiele zu machen." Folglich mangelte es auch an seiner gewohnten Torgefährlichkeit. Er hatte einfach nicht die Power, um bis in den gegnerischen Strafraum mitzugehen, „statt dessen bleibst du stehen und ruhst dich aus".
Für den Löwen, der übrigens auch in jenem Sternzeichen geboren wurde und von sich selbst immer 100 Prozent fordert, keine einfache Situation: Denn nachdem es in Bielefeld nur mittelmäßig gelaufen war - statt in der Bundesliga gegen die „Roten" zu treffen, standen bis auf fünf Bundesliga- Einsätze nur Regionalliga-Partien auf dem Programm - wollte der Kämpfer „zu Hause" wieder richtig durchstarten. Die fehlende Fitness machte ihm am vorletzten Spieltag, beim Einstand von Ewald Lienen als Trainer gegen Alemannia Aachen, endgültig einen Strich durch die Rechnung: „Im Abschlusstraining ist mir ein Band gerissen. Da fällst du natürlich wieder in ein Loch."
Obwohl Aigner ein Kämpfer ist, plagte ihn zum diesem Zeitpunkt doch der ein oder andere Zweifel: „Ich habe mich geärgert und gefragt: ‚Warum passiert ausgerechnet mir so etwas, was mache ich falsch.‘" Nicht allzu lange, denn eigentlich versucht der ehrgeizige Mittelfeldspieler stets positiv zu denken und das Gute zu sehen: „Wenn man sich mit der Verletzung abgefunden hat, dann hat man auch wieder ein Ziel - du willst unbedingt fit werden." Diese Herausforderung nahm er an und arbeitete hart an seinem Comeback, das er eigentlich für den Beginn der aktuellen Saison ge - plant hatte. Doch eine Knieverletzung warf ihn erneut zurück. Und so ist es keine Überraschung, dass Aigner, der sich mühsam zurückarbeitete, in der Löwen-U 23 Spielpraxis sammelte und schließlich am 7. Spieltag beim 0:0 gegen den SC Paderborn wieder bei den Profis zum Einsatz kam, eines sicher weiß: „Für einen Fußballer ist es am wichtigsten, dass er verletzungsfrei bleibt."
Glücklicherweise war das die Nummer 15 der Löwen seither. Oder Trainer Lienen attestierte ihm „Gesundheit" und stellte ihn am 25. Spieltag auf, obwohl ihn muskuläre Probleme plagten und er eigentlich nicht spielen wollte: „Wenn der Aiges über Schmerzen klagt, hör‘ ich schon gar nicht mehr zu", scherzte der Trainer nach der Partie gegen St. Pauli, bei der Aigner die Münchner mit seinen Treffern Nummer sechs und sieben im Alleingang zum Sieg geschossen hatte. Das Fußballfachmagazin „kicker" honorierte diese Leistung mit der Nominierung zum „Mann des Tages".
Wenn der Charakterkopf aus München mal nicht in der Anfangself stand, hatte das meist andere Gründe: Zweimal flog Aigner aufgrund von Unbeherrschtheiten vom Platz und musste seine Sperren für eine Rote und eine Gelb-Rote Karte absitzen. Geläutert resümiert Aigner rückblickend: „Ich weiß, dass ich in solchen Situationen anderes reagieren muss. Da muss ich noch dazu lernen." Er weiß, dass man ihn schnell auf 180 bringen kann, er schon mal durchdreht und deshalb fügt er in seiner ehrlichen Art schnell hinzu: „Aber wenn ich dann auf dem Platz stehe, bringt‘s mich doch wieder auf die Palme." Seine Ausbrüche sind jedoch nicht nur negativ zu beurteilen, denn vielmehr noch sind sie der ehrgeizigen und vorbildlichen Einstellung des Sechzgers geschuldet: „Ich will jedes Spiel gewinnen."
Das will der Hobbymotorradfahrer schon seit er ans runde Leder tritt. Mit vier Jahren begann er bei den Bambinis der Löwen zu kicken. Er durchlief alle Jugendmannschaften und setzte sich auch, als es ernst wurde - „so ab der B-Jugend, wo dann extrem aussortiert wird" - durch. Spätestens da stand für Aigner, dessen Vorbild damals Guido Erhard hieß und der ihn schon mal zum Billard spielen mitnahm, fest, dass er Fußballprofi werden will: „Ich habe nie wirklich über Alternativen nachgedacht." Das übernahmen die engagierten Eltern, die den Sohn auf seinem Weg begleiteten und immer darauf schauten, dass „ich eine gute Schulausbildung habe". Nach der A-Jugend wechselte der damals 18-Jährige nach Burghausen: „Das hat
meiner Entwicklung gut getan, da hab ich immer gespielt." Zudem gefiel dem heimatverbundenen Jungprofi, dass es nur eineinhalb Stunden bis nach Hause waren.
Im Anschluss erwartete Aigner eine weitaus schwierigere Phase, beim 700 km entfernten Bundesligisten Arminia Bielefeld, „das war extremer, da merkst du natürlich schon, was es bedeutet, so weit von zu Hause weg zu sein." Obwohl es sportlich gesehen zudem nicht rund lief, profitierte er trotzdem von der Zeit beim heutigen Löwen-Gegner: „Du machst immer deine Erfahrungen. Auch wenn es nur fünf Bundesligaspiele waren: die kann mir keiner mehr nehmen!" Zu einigen ehemaligen Kollegen aus dem Team der Ostwestfalen hat er bis heute guten Kontakt. Mit Zlatko Janic fährt er in den jährlichen Sommerurlaub nach Spanien, mit Nils Fischer und Daniel Halfar versteht er sich ebenfalls noch „super".
In der Heimat, in München bei den Löwen, zählen Philipp Tschauner, Alexander „Lude" Ludwig und Sascha Rösler zu den Mitspielern, mit denen er den meisten Kontakt pflegt. Auf dem Platz „muss es halt passen. Wenn du vorne jemanden hast wie den Sascha (Sascha Rösler, Anm. d. Red.), mit dem ich mich auch privat super verstehe, dann ist es natürlich leichter. Er ist zudem ein erfahrener Spieler, der oft auch die entscheidenden Bälle aus dem Zentrum spielt", fachsimpelt er und lobt den Kollegen mit der Rückennummer 10.
Seinen „zugeroasten Kollegen" würde er als echter Münchner übrigens zuerst das Hofbräuhaus zeigen. In Bairisch und mit einem breiten Grinsen fügt er hinzu: „München ist im Allgemeinen eine schöne Stadt; Englischer Garten, Hofbräuhaus, und natürlich die Wiesn-Zeit. Und da wo du geboren bist, ist es sowieso am schönsten."
Und so fehlt dem 22-Jährigen zu seinem Glück - seine Freundin Laura, seine sechzigbegeisterte Familie und die Löwen-Familie hat er ja schon hier - nur noch die Rückkehr in die Bundesliga: „Mein Ziel ist natürlich ganz klar, wieder in der Ersten Liga zu spielen. Und am liebsten mit Sechzig! Ich denke, dass die Mannschaft das Potential hat, das hat man in einigen Spielen gesehen. Genauso müssen wir auch in der einen oder anderen Situation dazu lernen, das hat man zum Beispiel gegen Kaiserslautern gesehen. Die haben uns unsere Grenzen aufgezeigt, waren eine Klasse besser und auch cleverer - da müssen wir uns noch verbessern. Wenn wir Konstanz reinbringen und die Mannschaft nicht wieder total umgekrempelt wird, dann können wir bestimmt oben mitspielen." Nächste Saison. Natürlich mit Stefan Aigner.