Ein grosses Talent und noch viel mehr
(April 2010) Es ist gerade einmal fünf Monate her, dass der 21-Jährige beim Hinspiel gegen Cottbus sein Zweitliga-Debüt gab. Gerade hat er seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Und ist auf dem besten Weg zu einer festen Größe im Mittelfeld.
Einer, der die Entwicklung des gebürtigen Hardheimers besonders gut einschätzen kann, ist Dieter Märkle. Für den Trainer der Löwen-U23 ist es nämlich überhaupt „keine Überraschung", dass Dominik Stahl auf Anhieb bei den Profis Fuß fassen konnte. Und das mit einer Souveränität, die für sein Alter, aber auch für die taktische Position, die er auf dem Platz einnimmt, bei weitem nicht alltäglich ist. „Er hat sich schon in der Zweiten Mannschaft zu einem Führungsspieler herauskristallisiert, geht immer als Vorbild voran." Kein Wunder also, dass Märkle den Mittelfeldspieler im Sommer vergangenen Jahres zum Kapitän der Regionalligamannschaft ernannt hat. „Bei ihm kann man als Trainer sicher sein, dass er seine Aufgabe zu 100 Prozent erfüllt."
Neben seiner absolut vorbildlichen Persönlichkeit lobt der U23-Coach die herausragenden sportlichen Qualitäten des Youngsters, der über „ein ausgezeichnetes defensives und offensives Kopfballspiel sowie ein sehr gutes Zweikampfverhalten" verfüge, und darüber hinaus „ein gutes Auge für Situationen auf dem Platz" habe und sich auch „in der Spieleröffnung mit dem guten Pass" auszeichne. Fähigkeiten, mit denen Stahl gerade in den letzten Partien zum bewährten Partner von Aleksandar Ignjovski im defensiven Mittelfeld avancierte und zuletzt nicht nur, aber vor allem natürlich Ewald Lienen überzeugen konnte. „Er ist zwar erst 21, aber Dominik ist ein Typ, der andere mitreißen kann. Er bringt die richtige Mentalität mit auf den Platz, ist aggressiv in den Zweikämpfen und gibt in jedem Spiel alles", so der Cheftrainer. Auch für Sportdirektor Miki Stevic ist der „klassische Sechser" ein echter Gewinn für den Verein: „Der Junge haut sich in jeden Zweikampf. Er zeigt das, was wir und die Fans sehen wollen,"Eben „Hart, härter, Stahl" - wie eine Münchener Boulevardzeitung treffend titelte. Insofern war es aus Sicht der sportlichen Leitung nur logisch, den Mittelfeldspieler mit einem Profivertrag auszustatten und ihn bis 2012 an den TSV 1860 zu binden.
Dabei sah es zu Saisonbeginn eigentlich nicht nach einem schnellen Aufstieg zu den Profis aus. Während eine Reihe anderer Nachwuchsspieler bereits in der Sommer-Vorbereitung bei Cheftrainer Ewald Lienen vorspielten und sich beweisen durften, festigte Stahl seine tragende Rolle weiter bei der U23. Auch wenn er, wie er offen zugibt, „natürlich immer auf eine Chance gehofft hat". Am 8. November 2009 erfüllte sich dann dieser Traum: Im Auswärtsspiel bei Energie Cottbus stand der 21-Jährige nicht nur im Kader der Profis, sondern in der Startelf. Überraschend, nicht nur für den Abiturienten selbst.
Nach dem verlorenen Heimspiel gegen Kaiserslautern durfte er erstmals überhaupt „oben mittrainieren", bis schließlich klar war, dass er die Reise in die Lausitz mitmachen durfte. „Ich habe das alles einfach nur genossen, den ganzen Ablauf rund um das Spiel, das Einlaufen ins Stadion", erzählt er strahlend. Am Vorabend des Spiels hatte ihn Ewald Lienen darüber informiert, dass er von Beginn an mit ihm plane. Auf seinem Zimmer habe er ihm auf der Taktiktafel genau seine Aufgaben erklärt. Ob er vor seiner Premiere sehr nervös gewesen sei? „Ich war natürlich aufgeregt, aber es war eine absolut positive Aufregung." Auch wenn das Spiel im Osten der Republik mit 0:1 verloren ging, Dominik Stahl durfte seitdem bei den Profis trainieren, gehörte weiterhin zum Kader und wurde regelmäßig eingewechselt.
Im Alter von fünf Jahre hat er - genauso wie sein drei Jahre älterer Bruder - in seinem Heimatverein SV Osterburken angefangen, Fußball zu spielen. Schnell wurde aus diesem Sport das „absolute Lieblingshobby". Über den TSV Tauberbischofsheim wechselte er im Alter von 14 Jahren zur TSG Hoffenheim, rund 50 Autominuten von seinem Wohnort entfernt. Da war es von Vorteil, dass sein Bruder ebenfalls dort kickte, und ihn so meistens im PKW mitnehmen konnte. Dennoch: Gymnasium und Training unter einen Hut zu bringen, war für den Schüler nicht immer ganz einfach. Da Dominik eine Ganztagesschule besuchte, bedeutete dies, dass er oft abends nach dem Training um 22 Uhr Hausaufgaben machen oder für Prüfungen lernen musste. „Da entwickelt man aber eine Strategie. Außerdem ist mir das nicht schwer gefallen, weil Fußball mir so viel gegeben hat."
Der Kontakt zu den Löwen entstand nicht zuletzt über Spiele und Vergleichsturniere der badischen Auswahl, in die der Mittelfeldspieler berufen wurde. Ernst Tanner, der damalige Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, wurde auf Stahl aufmerksam und lotste das Talent im Jahr 2004 schließlich an die Grünwalder Straße. Der Vorteil der Löwen damals: die relevanten Jugendmannschaften spielten bereits in der jeweils höchsten Spielklasse, die TSG-Nachwuchsteams dagegen nicht. Für die weitere Entwicklung jedoch unabdingbar, und so entschied sich Stahl für den Wechsel nach München, startete in der U17 seinen Werdegang bei den Blauen. „Für mein Weiterkommen war das einfach notwendig." Dafür nahm er den Umzug weg von zu Hause, 320 Kilometer einfach von Osterburken entfernt, gerne in Kauf und vor allem die Herausforderung an.
Bereut hat er diesen Sprung vom Badischen ins Bayerische ohnehin zu keinem Zeitpunkt. Auch die schulische Umstellung bereitete ihm keine größeren Probleme, „das war ich ja gewohnt". Das Abitur absolvierte er auf dem Theodolinden-Gymnasium, eine „Partnerschule des Leistungssports", die er ab der 11. Klasse besuchte. Gewohnt hat er von Anfang an im Schüler- und Studentenwohnheim Albertinum in der Westendstraße, wo jetzt übrigens das Trikot von seinem ersten Zweitliga-Einsatz in Cottbus sein Zimmer schmückt. In Kürze will er sich jedoch eine eigene Wohnung suchen, zumal er mit dem Ende der Bundeswehr jetzt auch seine jüngste „Nebenbeschäftigung" abgeschlossen hat. Bis zum 31. März dauerte die einjährige Ausbildung, „stationiert" war er in dieser Zeit bei der Sportfördergruppe in Neubiberg, mit Ausnahme der ersten sechs Wochen „Grundausbildung", die er bei der Luft waffe in Roth bei Nürnberg ablegte - übrigens gemeinsam mit seinem ehemaligen Team kollegen Mathias Wittek. Der Vorteil der Sport fördergruppe bestand nicht zuletzt darin, dass er - abgesehen von Spielen für die Militärnationalmannschaft - für den TSV 1860 freigestellt wurde. Allerdings musste er täglich „einen Rapport schreiben", mit einem genauen Zeitplan und unterschrieben vom Trainer.
Die Unterschrift unter seinen ersten Profivertrag Anfang März ist der vorläufige Höhepunkt einer kontinuierlichen Entwicklung. „Es ging eigentlich immer einen Schritt nach oben", beschreibt Stahl seinen bisherigen Weg. Deswegen habe er eigentlich auch nie wirklich daran gezweifelt, ob dieser Traum „irgendwann Fußballprofi zu werden", tatsächlich der richtige sei. „Ich hatte zwar immer dieses klare Ziel vor Augen und wollte das absolut", erzählt er, „trotzdem konnte ich mir bisher immer diese gewisse Leichtigkeit bewahren, die ich gebraucht habe". Er selbst sieht den Grund hauptsächlich in dem Wissen, mit dem Abschluss des Gymnasiums zweigleisig gefahren zu sein, ein weiteres Standbein zu haben. Eine Alternative sei immer da gewesen.
Spätestens seit dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli gehört er auf der zweiten Sechser-Position inzwischen zur ersten Wahl, stand zuletzt vier Spiele in Folge in der Startelf: Drei Partien davon siegten die Löwen. Mit seinem Mittelfeld-Partner Ignjovski versteht er sich auf dem Platz immer besser, „je öfter wir zusammen spielen, umso mehr kann man sich aufeinander einstellen". Bemerkenswert reibungslos hat Stahl also die Umstellung von der Regionalliga, in der er in den vergangenen dreieinhalb Jahren 57 Mal zum Einsatz gekommen ist, in den Profibereich geschafft. „Er hatte in allen Bereichen stets hervorragende Werte", begründet Dieter Märkle, „der Sprung nach oben entspricht absolut seinem Stand". Obwohl er erst neun Zweitligaspiele absolviert hat, spielt er eben auffallend abgeklärt und souverän, bewies sogar schon zweimal das Auge für den entscheidenden Pass: Zwei Torvorlagen gehen bereits auf sein Konto. Auch Teamkollege Florin Lovin zeigt sich ob dieser Leistungen des Youngsters stark beeindruckt: „Er ist sehr spielintelligent und ruhig am Ball", lobt der lange Zeit verletzte Routinier auf der zentralen Position, „wenn er so weitermacht, ist auf er einem sehr guten Weg".
Wer Dominik Stahl kennt, hat daran gewiss keine Zweifel. „Sehr leistungsorientiert und unheimlich willensstark" - so charakterisiert ihn sein bisheriger Trainer bei der U23. Und Lovin fügt ein weiteres großes Plus hinzu: „Er ist bescheiden - und das ist unter Fußballern eine seltene Qualität." Nicht zuletzt bei jungen aufstrebenden Talenten. Sein Cheftrainer Ewald Lienen nimmt das ebenfalls wohlwollend zur Kenntnis.