„Fussball und nichts anderes“
(März 2008) Mit Benjamin Schwarz hat ein weiteres Eigengewächs den Sprung zu den Profis geschafft. Durch sein packendes Duell mit Franck Ribéry im Pokal wurde er bundesweit bekannt und setzte ein deutliches Ausrufezeichen.
Erst eine Schauspieleinlage des ansonsten so fairen französischen Vizeweltmeisters beendete den Auftritt des 21-Jährigen, der an diesem Abend erst sein drittes Pflichtspiel in der Profi-Mannschaft der Löwen von Beginn an bestritt. „Es war nach einem Laufduell. Ribéry attackierte mich, da habe ich mich zu dieser Aktion hinreißen lassen", zeigt sich Schwarz selbstkritisch. „Eine dumme Aktion von mir." Schiedsrichter Peter Gagelmann zeigte dem Verteidiger die Gelb-Rote Karte, Ribéry war seinen Bewacher los. Geht es nach dem Löwen, soll dies jedoch nicht das letzte Duell der beiden gewesen sein. „Natürlich ist es eine einmalige Erfahrung, gegen solch einen Weltklassemann zu spielen", so Schwarz, „und das hoffentlich bald wieder."
Dabei sah es für den Verteidiger zunächst nicht danach aus, als könne er den Anschluss an das Profiteam des TSV 1860 schaffen. Zwei Jahre lang plagten den Abwehrspieler Beschwerden infolge einer Knieverletzung, in dieser Zeit spielte er keine Minute. Statt Spiel mit dem Ball wurde regelmäßiges Reha-Training zum Alltag. „Ich wusste teilweise nicht, wie es weitergehen soll", so Schwarz. „Meine Eltern und mein Bruder haben mir in dieser Zeit sehr geholfen und mich immer wieder aufgebaut."
Die Familie spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Verteidigers. Vater Andreas war es, der den jüngeren von zwei Brüdern förderte und als Fünfjährigen zum SV Ludwigsvorstadt brachte. Als Jugendtrainer stellte er ihn zunächst im Sturm auf. Vier Jahre später erfolgte der Wechsel zum SV 1880 München, weitere vier Jahre danach zur SpVgg Unterhaching. Ständiger Begleiter war sein zwei Jahre älterer Bruder Raphael. „Ohne ihn wollte ich damals nicht wechseln", sagt Schwarz rückblickend. „Ich hatte ein Probetraining beim FC Bayern gemacht, die wollten mich auch nehmen. Aber bei Unterhaching durften wir beide spielen." So fiel die Entscheidung für den Münchner Vorstadtverein nicht schwer.
Dass es dann doch die Löwen wurden, hat er nicht nur seinem Vater, sondern auch Ernst Tanner zu verdanken. Der Leiter des Nachwuchsleistungszen¬trums des TSV 1860 unterrichtete an der Sportschule in Taufkirchen zu der Zeit, als Schwarz Sportunterricht hatte. Er riet dem jungen Spieler früh zu einem Wechsel zu den Löwen, erkannte das große Potenzial. Trotzdem zögerte Schwarz, da er sich bei Unterhaching wohl fühlte. Wieder war es sein Vater, der die Initiative ergriff und ohne Wissen seines Sohnes zum TSV 1860 München fuhr, um den Vereinswechsel zu vollziehen. Heute ist der Verteidiger dankbar für diese ungewöhnliche Aktion, zumal er sich in der laufenden Saison zu einem „wichtigen Bestandteil" der Lizenzmannschaft entwickeln konnte. Marco Kurz, der ihn bereits bei der U23 der Löwen trainierte, hält viel von dem jungen Defensivspieler. „Benny ist mehr als eine Alternative auf seiner Position", so der Coach. „Er wurde ins kalte Wasser geworfen und hat sich beeindruckend freigeschwommen."
Die langwierige Verletzung war dabei kein Hindernis. „Wir haben ihn in dieser Zeit behutsam aufgebaut", so Kurz. „In der Regionalliga hat er sich schließlich sehr gut entwickelt, vor allem körperlich." Tatsächlich pflegt Schwarz auf dem Platz einen sehr robusten und standfesten Spielstil. Im Pokalderby gegen den FC Bayern schaltete er Franck Ribéry praktisch aus, ließ den Franzosen nicht zur Geltung kommen. Schon in seinem ersten Zweitligaspiel von Beginn an gegen den FC Augsburg ließ er sein Können aufblitzen, überzeugte Zuschauer und Trainer. „Ich bin sehr zufrieden", lobt ihn Marco Kurz. „Benny ist in seiner Spielweise durchaus aggressiv und unangenehm."
Abseits des Platzes tritt Schwarz dagegen äußerst ruhig auf, hält nicht viel vom „üblichen Drumherum". „Das ist nicht meins", so der gebürtige Münchner. „Natürlich gehe ich ab und zu abends weg", so Schwarz. „Das gehört dazu". Doch lieber entspannt er sich bei seiner Freundin Daniela, mit der er seit einiger Zeit im elterlichen Haus in einer eigenen Wohnung lebt. Diese sei zwar noch keine richtige Expertin im Fußball, „sie macht allerdings schon viele Fortschritte", schmunzelt Schwarz. Mit seinem Bruder Raphael, der nach den Stationen Unterhaching und FC Ismaning mittlerweile wieder beim SV 1880 München in der Kreisliga spielt, ist er praktisch seelenverwandt. „Mit ihm unterhalte ich mich über meine Spiele", so Schwarz. „Schade, dass er es beim Fußball nicht weiter gebracht hat". Das lag vor allem am Beruf, Bruder Raphael arbeitet bei der Deutschen Bahn. Schwarz selbst schloss eine Ausbildung zur Fachkraft für Brief- und Frachtverkehr bei der Deutschen Post ab. Damals spielte er noch in der A-Jugend, hatte praktisch keine Freizeit mehr. „Ich musste jeden morgen um sechs Uhr aufstehen, nach der Schule ging es am Nachmittag gleich weiter zum Training", so der Blondschopf. „Am Abend bin ich meistens nach Hause gekommen und gleich ins Bett gefallen." Zweifel an der Ausbildung habe er zwar gehabt, wollte sich eigentlich mehr auf den Sport konzentrieren. „Für mich zählte damals nur die Devise: Fußball und nichts anderes." Doch mittlerweile ist er dankbar, einen Abschluss geschafft zu haben, um für alles gerüstet zu sein. „Man weiß ja nie was kommt, das sieht man ja an meiner langen Verletzung."
Aus dem Kader von Marco Kurz ist er nicht mehr wegzudenken. Mit 21 Jahren steht Schwarz am Beginn einer großen Karriere. Bei den Löwen profitiert er dabei nicht nur von regelmäßigen Einsatzmöglichkeiten in der Zweiten Bundesliga. Auch die Zusammenarbeit mit erfahrenen Spielern trägt Früchte. „Gregg Berhalter ist ein wichtiger Mitspieler für mich", erzählt Schwarz. Der US-Amerikaner hilft dem jungen Verteidiger im Training in vielen Situationen, lässt ihn an seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz teilhaben. „Er sagt mir auch klipp und klar, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Aber nur so kann ich etwas lernen." Lernen, um vielleicht selbst irgendwann als erfahrener Spieler Wissen weitergeben zu können. Und eines wird Schwarz dabei sicher gerne erzählen: Vom Pokalderby gegen den FC Bayern und seinem ersten Duell mit Franck Ribéry ...